Arbeitsgericht Aachen: Kündigung in der Wartezeit
ArbG Aachen: Voraussetzungen der Treuwidrigkeit und damit Unwirksamkeit einer Kündigung innerhalb der Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes (Urt. vom 06.03.2018 – 4 Ca 2652/17)
Das Arbeitsgericht Aachen hat mit Urteil vom 06.03.2018 in 4 Ca 2651/17 über die Voraussetzungen der Treuwidrigkeit einer Kündigung innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit von § 1 Abs. 1 KSchG entschieden. Grundsätzlich findet das KSschG (und damit der allgemeine Kündigungsschutz) auf eine Kündigung innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG keine Anwendung. Eine Kündigung verstößt in dieser Zeit deshalb nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind.
„Ansonsten würde in diesen Fällen über § 242 BGB der kraft Gesetzes ausgeschlossene Kündigungsschutz doch gewährt und damit die Möglichkeit des Arbeitgebers eingeschränkt werden, die Eignung des Arbeitnehmers für die geschuldete Tätigkeit in seinem Betrieb und Unternehmen während der gesetzlichen Wartezeit zu überprüfen. Dementsprechend setzt beispielsweise die Wirksamkeit einer Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitsnehmers außerhalb des Anwendungsbereiches des KSchG in der Regel nicht voraus, dass dem Arbeitnehmer zuvor eine vergebliche Abmahnung erteilt worden ist. Ausnahmsweise kann aber eine vorherige vergebliche Abmahnung geboten sein, wenn sich der Arbeitgeber andernfalls mit einer Kündigung in Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten setzen würde.“
Auszulegen und anzuwenden bei der Prüfung der Treuwidrigkeit einer Kündigung ist § 242 BGB nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Lichte des Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz.
„Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss der Arbeitnehmer auch außerhalb des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes über die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt werden (§§ 242, 138 BGB). Im Rahmen dieser Generalklauseln ist der objektive Gehalt der Grundrechte, hier vor allem Artikel 12 GG, zu beachten. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls.“
Herangezogen werden insoweit – außerhalb des KSchG! – nicht die vom KSchG vorgegebenen Maßstäbe der Sozialwidrigkeit. Ziel ist es demgegenüber (nur), den Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen.
„Eine willkürliche Kündigung liegt aber nicht vor, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Kündigung besteht. Für das Vorliegen von solchen Tatsachen, aus den sich die Treuwidrigkeit ergeben soll, trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Dabei wird dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Arbeitnehmers durch eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast Rechnung getragen. In einem ersten Schritt muss der Arbeitnehmer, soweit er die Überlegung des Arbeitgebers, die zu seiner Kündigung geführt hat, nicht kennt, lediglich einen Sachverhalt vortragen, der Treuwidrigkeit nach § 242 BGB indiziert. Der Arbeitgeber muss sich sodann nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen auf diesen Vortrag einlassen, um ihn zu entkräften.“
Die hierzu relevante Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat beispielsweise im Urteil vom 28.08.2008 – 2 AZR 101/07 – Ausdruck gefunden.