Was ist neu am neuen Bauvertragsrecht?
Mit Wirkung zum 01.01.2018 ist das neue Bauvertragsrecht in Kraft getreten, das von der Baurechtspraxis bereits im Vorfeld gespannt und fast aufgeregt erwartet und diskutiert worden war. Allein die Tatsache, dass in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) nunmehr spezielle Vorschriften über den Bauvertrag, den Verbraucherbauvertrag, den Architektenvertrag und den Bauträgervertrag aufgenommen worden sind, ist für sich schon eine Besonderheit, denn hierüber ist seit vielen Jahrzehnten diskutiert worden. Da man sich in der Vergangenheit auch wegen der Komplexität des Rechtsgebiets und der widerstreitenden wirtschaftlichen Interessen jeweils politisch nicht einigen konnte, lag das Projekt eines Bauvertragsrechts stets auf Eis, und die Baurechtler – Anwälte wie Richter – mussten sich mit dem Werkvertragsrecht behelfen, das eigentlich gar nicht in erster Linie für den Bauvertrag, sondern vielmehr für Werkunternehmer wie den klassischen Schneider geschaffen war. Dessen vertragsrechtliche Konstellation ist dadurch gekennzeichnet, dass es der Kunde ist, der den wesentlichen Stoff – nämlich das Tuch – zur Verfügung stellt und dieses anhand der Vorgaben des Kunden verarbeitet und zu einem neuen Werk – dem Anzug – umgestaltet wird. Es versteht sich von selbst, dass beide Situationen, die Herstellung eines Anzugs einerseits und die Errichtung eines ganzen Gebäudes oder gar größerer Komplexe, nur schwerlich unter einen rechtlichen Nenner zu bringen waren und vielfache Anpassungen und Grundsätze erforderten, die sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergaben.
So ist das neue Bauvertragsrecht vor allem durch die Erkenntnis gekennzeichnet, dass ein Bauvertrag die an dem Bauvorhaben Beteiligten in der Regel über einen längeren Zeitraum aneinander bindet und dass ein Bauvorhaben per se erheblich streitträchtiger ist als etwa die Anschaffung eines Neuwagens oder anderer nicht handwerklich, sondern industriell hergestellter Produkte. Als Folge dieser Erkenntnis sind einige Regelungen aufgenommen worden, die man im Kern schon aus der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) Teil B kannte, zum Teil sind die Vorschriften indessen sehr neu. So gesteht § 650 b Absatz 2 BGB dem Bauherrn gegenüber den Bauunternehmer zwar ein Anordnungsrecht zu, mit dem eine von dem ursprünglichen Vertrag abweichende Ausführung der Bauleistung verlangt und einseitig angeordnet werden kann. Dieses – dem Grunde nach aus der VOB Teil B bekannte – Anordnungsrecht wird indessen von einem Procedere abhängig gemacht, das kompliziert und langwierig ist und schließlich mit einer gesetzlich vorgesehenen einstweiligen Verfügung enden kann. Letzteres löste bei Einführung des Gesetzes große Befürchtungen seitens der Justizverwaltungen aus, dass man nunmehr mit solchen Verfahren überschwemmt werde.
Leider sind diese und viele andere Regelungen letztlich doch so kompliziert und umständlich geraten, dass es fast nicht verwundert, dass heute, gut ein halbes Jahr nach Inkrafttreten der neuen Regelungen, der Eindruck entstanden ist, dass die Parteien eines Bauvertrags bundesweit so handeln, als gäbe es das neue Bauvertragsrecht nicht. Das ist verständlich nicht zuletzt deshalb, weil die Regelungen durch Quer- und Rückverweise alles andere als leicht verständlich und gut lesbar sind; zugleich ist es aber hochgefährlich, weil gerichtliche Entscheidungen zu Bauverträgen (und auch zu Bauträger- und Architektenverträgen) erst dann anstehen werden, wenn vielerorts schon Fehler in der Handhabung rechtlicher Fragen anlässlich solcher Verträge begangen wurden, die im Nachhinein nicht mehr korrigiert werden können. Eine Beschäftigung mit dem neuen Bauvertragsrecht lohnt sich deshalb nicht nur für den Baurechtler, sondern sie sollte für jeden, der sich mit dem Gedanken des Abschlusses eines Bauvertrags, eines Bauträgervertrags oder eines Architektenvertrags trägt, zwingend sein.